Gründung 1993

Gründung 1993

Mit der Wende fing alles an …

„Über die Grenzen hinweg: ‚Sport frei’“, hieß es am 06.01.1990 in der Haldensleber Volksstimme. Die Erneuerung im Land ging an der Sportorganisation der DDR, dem DTSB, nicht spurlos vorbei. Alte Strukturen wurden in Frage gestellt, neue Lösungen mußten gefunden werden. Ernst Markwart, Vorsitzender des DTSB-Kreisvorstandes, berichtete in diesem Artikel über ein Treffen mit dem Kreissportbund Helmstedt Ende 1989. Beide Kreisverbände legten fest, möglichst viele Kontaktaufnahmen zwischen Sportgemeinschaften der Kreise Haldensleben und Helmstedt unterstützen zu wollen. Ob man sich damals vorstellen konnte, welche rasante Entwicklung nach diesen ersten Treffen zwischen Sportlern aus Ost und West ihren Anfang nahm?

Im Juli 1990 meldete die Volksstimme im Börde-Sportecho, daß die Vereinsbildung in vollem Gange sei. Noch vor gar nicht langer Zeit war die „Vereinsmeierei“ der alten BRD bestenfalls belächelt, als rückschrittlich abgetan worden. Man hatte schließlich etwas „Besseres“ erfunden: die Sportgemeinschaft innerhalb des DTSB, straff organisiert und nur der Leistung verpflichtet. Und nun erlebte der Verein als Organisationsform Gleichgesinnter seine Renaissance. Frische, fantasievolle Namen tauchten in den Vereinsregistern der Kreisgerichte auf. Die Vielfalt der Sparten nahm zu: Bald fanden sich darunter Schützenvereine.

Durch Vertreter von rund 6.000 Schützen wurde am 28.07.1990 in Magdeburg der Landesschützenverband Sachsen-Anhalt e. V. gegründet. An der Spitze steht seitdem Präsident Hans Keller mit seinem Präsidium. In den Altkreisen Haldensleben und Wolmirstedt wurden immer mehr Schützenvereine gegründet.

Vorbereitende Gründungsversammlung am 02.09.1993 im Schützenhaus Wolmirstedt
Vorbereitende Gründungsversammlung am 02.09.1993 im Schützenhaus Wolmirstedt

Es entstand die Idee, einen eigenen Verband als Interessenvertreter der Schützen ins Leben zu rufen. Im März 1993 trafen sich Vertreter von Schützenvereinen der beiden Kreise zum Gedankenaustausch über die Gründung eines gemeinsamen Verbandes. Viel Kopfzerbrechen bereitete der Satzungsentwurf. Entsprechende Unterlagen des KSV Oschersleben von 1990 e. V. sowie vom Sportschützenkreis 8 Mannheim e. V. wurden zu Rate gezogen. Umfangreiche Arbeiten waren zur Vorbereitung der Gründungsveranstaltung zu leisten.

Am 11. 09. 1993 fanden sich Delegierte von 13 Schützenvereinen der beiden Kreise zum Gründungsschützentag in der Gaststätte „Zum deutschen Kaiser“ in Althaldensleben zusammen:

Schützenbund Althaldensleben e.V. Polizeisportverein e.V.
Schützenverein Angern 1937 e.V. Schützenverein Rätzlingen e.V.
Schützenverein Wellenberge-Bebertal e.V. Schützenverein Schricke v. 1990 e.V.
Schützenverein Heide Burgstall e.V. Schützenverein Walbeck v. 1882 e.V.
Schützenverein Weferlingen v. 1832 e.V. Schützenverein Flechtingen e.V.
Schützengilde Haldensleben v. 1485 e.V. Schützenverein Hörsingen e.V.
Schützenverein Wolmirstedt v. 1863 e.V.

Zunächst einigte man sich über den Namen des Verbandes:„Kreisschützenverband Ohre-Kreis von 1993“.Weiter wurde die Satzung durchgesprochen und mit überwältigender Mehrheit angenommen.Im Anschluss erfolgte die

Wahl des ersten Kreisvorstandes:

Erweiterter Vorstand:
stellvertretender Sportleiter Thomas Franz
Referent Gewehr G. Kühne
Referent Pistole Eckard Prowe
Referent Vorderlader Herr Sauer
Referent Böller Georg Wunderlich
Referent Bogensport Dieter Kaanen
Rundenwettkampfleiter Walter Engelbrecht

Ältestenrat: Willi Lauenroth, Winfried Hellmich, Rudi Weißenborn, Dietz Poschke, Kurt Schmidt
und Siegfried Pätz

Kassenprüfer: Klaus-Conrad Berthold und Bärbel Grebenstein

Als symbolischer Akt des Zusammengehens der Schützen beider Landkreise wurde im Anschluß an die Tagung nahe der Kreisgrenze ein Grenzbalken zersägt. Die Kanone der Weferlinger Schützen böllerte und ein Salut der Haldensleber Gildeschützen krachte in den Himmel, als Christoph Koch und Kurt Flohr die rot-weiße Barriere auf der Straße zwischen Hillersleben und Meseberg zersägten. Jeder Gründungsverein erhielt ein Stück vom Schlagbaum als Erinnerung an diesen geschichtsträchtigen Tag.

Der fröhliche, gesellige Teil des Gründungstages fand im Zelt statt. Der frischgebackene KSV konnte aufgrund leerer Kassen keine Kapelle verpflichten. Von den Hillersleber Kasernen tönte Musik herüber. Kurt Flohr beobachtete, daß nach einiger Zeit ein Bus mit Militärmusikern die Garnison verließ. Er winkte, stoppte den Bus und verhandelte mit dem Leiter des Musikcorps in bestem Russisch, ob sie nicht einige Lieder für die Schützen spielen könnten. Das Einvernehmen war rasch hergestellt. Was folgte, war ein hervorragendes, über einstündiges Konzert, welches mit viel Beifall und zwei Mützen voller Gage belohnt wurde.

Der neue KSV kann neben dem Bindestrich zwischen Ohre und Kreis noch eine Besonderheit aufweisen: die Gestaltung des Wappens. Wer wußte schon 1993, wie der Name des zukünftigen Kreises geschrieben oder auf welches Wappen man sich einigen würde? Doch Schützen sind erfinderisch. Die Stadtwappen der Kreisstädte Wolmirstedt und Haldensleben bilden den unteren Teil des Wappens, zwei gekreuzte Gewehre im Hintergrund symbolisieren den Sport. Auf der Zielscheibe sitzt der Deutsche Schützenadler mit der Krone und verkörpert die Traditionen des Schützenwesens.

Die erste Kreisvorstandssitzung fand am 14.10.1993 statt. An diesem Abend bereitete man die Eintragung des KSV ins Vereinsregister beim Amtsgericht Haldensleben vor und legte die Tätigkeitsfelder der Vorstandsmitglieder fest. In der Folge trat der Kreisvorstand monatlich zusammen. Weiter wurde die Durchführung von vier Kreisausschußsitzungen im Jahr beschlossen; die erste fand am 13.01.1994 statt. Neben anderen Aufgaben wurde der reguläre Kreisschützentag vorbereitet, welcher am 12.02.1994 in Haldensleben durchgeführt wurde.

Alltag zog ein in die Arbeit des KSV und seines Vorstandes. 1994 wurde der Wettkampfbetrieb auf Kreisebene aufgenommen. Schaut man in die Wettkampfprotokolle von 1994 und heute, so fällt eine kontinuierliche Leistungssteigerung auf. Je mehr Schießsportstätten im Ohrekreis entstanden, je mehr Übungsleiter den Schützen das Einmaleins des Schießsports vermittelten, um so spannender wurden die Wettkämpfe. Fand der Leistungsvergleich anfangs auf Vereins-, dann auf Kreisebene statt, starteten die besten

Sportschützen bald auch auf Landesebene. Die besten schafften es bis München, zur Deutschen Meisterschaft. Im Laufe der Jahre erweiterte sich die Palette der in den Vereinen und zu Kreismeisterschaften geschossenen Disziplinen erheblich.

1998 wurde in Eichenbarleben der erste Kreisdamenpokal ausgeschossen. Als Disziplin werden in Anlehnung an den Dreistellungskampf jeweils 10 Schuß liegend, kniend sowie stehend aufgelegt mit dem KK-Gewehr absolviert. Dieser Wettkampf ist inzwischen fester Bestandteil des Sportkalenders.

Von den Schützen des Ohrekreises ist eine hervorragende Aufbauarbeit geleistet worden. Schießsportstätten wurden neu- oder ausgebaut, Schützenheime entstanden. Die Eigenleistung der Vereinsmitglieder machte bei jedem dieser Vorhaben den Hauptanteil aus. Ausgereichte Fördermittel und Sponsoring ermöglichten es, die Bauvorhaben in relativ kurzer Zeit zu realisieren. Im Ohrekreis wurde nach der Wende praktisch bei Null begonnen. Die uneigennützige Schützenhilfe mit Rat und Tat von niedersächsischen Vereinen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Genannt seien hier stellvertretend die Vereine aus Helmstedt, Marienthal, Grafhorst, Mannheim, Grasleben, Wittmund, Vorsfelde und Darringsdorf. Allen, die dem Schützenwesen unter die Arme griffen, als es laufen lernte, sei an dieser Stelle herzlich Danke gesagt.

Jeden Kreisschützentag aufzuführen, würde den Rahmen sprengen, doch zwei seien genannt. Zum 4. Kreisschützentag 1997 wurde das erste Kreiskönigspaar gekürt. Barbara Neue vom SBd. Althaldensleben und Ulrich Karpe vom SV Eichenbarleben waren die ersten Majestäten des Kreises. Die Kette für die Königin wurde von der Colbitzer Heidebrauerei gestellt, die Königskette stiftete Landrat Thomas Webel. Zum 5. Kreisschützentag wurde die Kreisstandarte des KSV mit 16 Fahnen der Vereine geweiht.

Schützen treiben nicht nur Sport, pflegen die Geselligkeit und verstehen es zu feiern. Sie sind auch der Tradition des Gemeinsinns verpflichtet. 1999 fand das erste Benefizschießen des KSV in Wolmirstedt zugunsten des Baues eines Elternhauses für krebskranke Kinder statt. Sozial benachteiligte Kinder eines Haldensleber Kinderheimes werden die Nutznießer des 5. Benefizschießens im Jubiläumsjahr 2003 sein.

Zum 10. Jahrestag der Wiedervereinigung fand in Haldensleben der Aufmarsch 2000 statt. Begleitet von Salut- und Kanonenschüssen zogen die Schützen des Ohrekreises im Sternmarsch zum Stadtzentrum. Vor dem Rathaus fand ein feierlicher Appell statt. Am letzten Augustwochenende des Jahres 2001 lud Haldensleben zum Sachsen-Anhalt-Tag. Der KSV Ohre-Kreis nahm daran mit einem „Zug der Majestäten“ teil. Jugendkönigin Jessica Stoike vom SV Heide Burgstall trug die Kreisstandarte auf dem langen Festmarsch durch die geschmückte Stadt.

Geselligkeit steht bei den Schützen hoch im Kurs. Das beweisen die Schützenfeste in Stadt und Land. In den Gemeinden sind sie oftmals die Höhepunkte des Jahres. Gemeinsam mit den örtlichen Vereinen und der Bevölkerung werden die verschiedensten Veranstaltungen durchgeführt, der Gemeinsinn bekräftigt.

Die Aufbauarbeiten in den Vereinen sowie im Kreisverband können als abgeschlossen betrachtet werden. Der KSV mit seinen Mitgliedsvereinen hat sich nun neuen Herausforderungen zu stellen. Ein Hauptschwerpunkt ist die Nachwuchsgewinnung und –förderung. Weiter ist immer wieder neu um die aktive Teilnahme der Schützen an sportlichen und traditionellen Veranstaltungen des Vereins- und Kreislebens zu werben. Durch Heranführung an die verschiedenen Disziplinen, mit Wettkämpfen auch abseits der Sportordnung, kann die Freude am Schießsport geweckt und Talente entdeckt werden. Die Geschichte, die Entstehung und Wandlung der Traditionen des Schützenwesens im Zei-tenlauf zu vermitteln, trägt zum besseren Verständnis des heute von den Schützen geübten Brauchtums bei.

Zehn Jahre Kreisschützenverband Ohre-Kreis. Zehn Jahre Auf und Ab, Frohsinn, Ernst und manchmal auch Streit. Zehn Jahre Zusammenhalt, Kameradschaft, Hilfsbereitschaft. Zehn Jahre Wirken von Gleichgesinnten. Zehn Jahre sportliche Erfolge. Zehn Jahre Begründung und Pflege guter Schützentraditionen. Zehn Jahre Werden, Wachsen und Erfolg der Ohrekreisschützen.

Der Kreisschützenverband Ohre-Kreis von 1993 e. V. ist mit seinen 1.527 Schützen in 32 Vereinen auf einem guten Weg.